Sonntag, 11. November 2012
Lärm mit Ende
Friedrich Schiller war nie in Afrika, aber trotzdem wusste er: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben,wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Zwar gehöre ich nicht zu den Allerfrömmsten, aber geplagt bin ich wie sie.
Junge Afrikaner lieben es sehr laut, und überdrehte Lautsprecher scheinen niemanden zu stören. Lautsprecherklirren ist hier eher die Regel als die Ausnahme. An scheppernden Lautsprechern gehe ich möglichst schnell vorbei. Ausweichen kann ich jedoch nicht all den Lautsprechern, die in der Umgebung meiner Bude aufgedreht werden, und das ist häufig abends der Fall. Aus verschiedenen Richtungen wird man da beschallt. Ein jeder findet die eigenen CDs schöner als die anderen und will sie übertönen.
Seit drei, vier Wochen wird das Zwangshören noch getoppt von einem Nachbarn, der – keine 20 Meter von meinem Schreibtisch entfernt – seinen Kiosk für Süßigkeiten und Limonaden in eine Videobude geändert hat. Dort laufen die Lautsprecher spätestens nachmittags ab zwei auf Hochtouren, bis spät in die Nacht hinein. Halbwüchsige ziehen sich dort gegen geringe Gebühr Action-Videos und allerlei Schnulzen hinein, manchmal auch einfach das Fernsehprogramm. An den Wochenenden beginnt der Spaß schon zwischen sieben und acht, am liebsten würde ich eine Bombe hineinwerfen. Vor diesem manchmal schier unerträglichen Lärm kann ich mich nicht schützen, denn die Fenster sind unverglast. Sie tragen drei Schichten von Gitter: grob und stabil als Diebstahlschutz, feinmaschig gegen Insekten und etwas grobmaschiger zur Stabilisierung. Schallwellen aber passieren ungehindert.
Ich weiß nicht, was passiert ist, aber heute ist der Lärm zumindest bis halb zehn am Morgen ausgeblieben. Dafür hat die Nachbarin zur Linken schon morgens um acht in ihrem Garten drei Feuer angezündet, und der ganze Rauch ist zu mir herein geweht. Sie ist aber nicht böse, und ich kann ihr deswegen nicht böse sein. Dass man seine Abfälle verbrennt, ist hier das Normalste von der Welt, und der Sonntag ist für die meisten kein besonderer Tag. Und auch die Lärmkulisse hier draußen ist um dreiviertel zehn wieder wie gewohnt: die Lautsprecher dröhnen.
Zum Monatsende werde ich umziehen in eine allem Anschein nach ruhige Gegend. Dann habe ich zwar einen weiten Weg zur Schule, dafür aber einen ganz kurzen an den Strand und weniger weit ins Geschäftszentrum. Die Bude kenne ich noch nicht, soll aber sehr angenehm sein, in einem Häuschen alleine. Hauptsache aber: ruhig!
Dhows nach Zanzibar

... link (0 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 6. November 2012
Sex und Schwalben
Sex muss hoch im Kurs stehen hier, das sieht sogar ein alter Hagestolz am frivolen Winken, aber auch am Ergebnis des Beieinanderliegens, wo Bein an Bein geschmiegt wurde. Die Zahl kleiner Kinder ist unglaublich.. Ich habe sie nicht gezählt, aber auf Schritt und tritt wuselt es geradezu von Stopsen unter einem Meter. Und die jüngsten Leibesfrüchte werden von den Müttern auf dem Rücken mitgeschleppt, wohin auch immer sie gehen mögen. Weit mehr als die Hälfte aller TansanierInnen ist unter 14 Jahre alt, habe ich in einer Statistik gelesen. Und das glaube ich sofort! Dabei haben bestimmt die wenigsten Paare eine trauliche Umgebung für ihr heimliches Tun. Nicht einmal die gemauerten Häuser verfügen über Fenster, die etwas Schallschutz bieten könnten, geschweige denn eine erotische Atmosphäre. Sex könnte ja ansteckend sein. Wer die Nachbarin stöhnen hört, wird womöglich selber von der Lust gepackt... und so pflanzt sich das fort bis in die letzte Hütte. Am Ende haben die Statistiker noch mehr Kinder zu zählen.
Frivoles Winken von durchaus attraktiven jungen Damen erlebe sogar ich als einstiger Liebhaber, der seine besten Jahre längst hinter sich hat. Bereits am ersten Tag meines Aufenthalts, schon auf der Busfahrt von Daressalam nach Bagamoyo, bekam ich von der Mitfahrerin hinter mir einen Zettel zugesteckt, bevor sie ausstieg. Botschaft = ich möchte deine Freundin sein, Handy Nr. xyz.
Hübsches Gesicht, gute Kurven. Man fühlt sich einen Moment lang wieder jung. Aber die Zeiten, in denen mir Sex wichtig war, liegen lange zurück. Und außer mit körperlicher Anziehung könnten mich diese Mädchen ja nicht locken. Es gab auch Einladungen, denen ein paar Worte im Wechsel vorausgegangen waren. Auf Suaheli konnte ich es nicht erst versuchen, und das Englisch der jeweiligen Gesprächspartnerin beschränkte sich auf einige wenige Brocken. Keine einzige dieser frivolen Möchtegern-Freundinnen war nicht attraktiv. Die Schönen nehmen sich überall mehr heraus. Das ist schon an unserer Vorschule zu beobachten. Die Schmeicheleien lässt man sich also gern gefallen und fühlt sich in einer Momentaufnahme stark verjüngt, wohl wissend, dass alle letztlich einen Märchen-prinzen suchen, der ihren Traum von einem besseren Leben wahr macht. Zumindest Reichtum kann man von einem Europäer ja erwarten! Die Wirklichkeit holt mich wieder ein, wenn mir die Knirpse auf dem Heimweg „Babu, Babu“ (Kisuaheli für Opa) zurufen. Sie meinen das durchaus liebevoll.

Bei aller Verbreitung dieser Beschäftigung: ich bin nicht der einzige ohne Sex hierzulande. Abends in der Dämmerung sitze ich gerne vor dem Haus und sehe den Schwalben zu, wie sie im Tiefflug hin und her flitzen und sich die Bäuche mit bösen Moskitos vollstopfen. Was sogar ich als Laie weiß: solche Zugvögel bekommen ihren Nachwuchs nur im rauen Norden. Wer weiß, vielleicht wurden gerade diese im letzten Frühling beim Eugen im Stall ausgebrütet und erzählen, sie kämen aus dem Schwäbischen. Anhalten und ausfragen konnte ich allerdings noch keine. Zudem bin ich nicht Dr. Doolittle und kann Schwalben verstehen. Kisuaheli ist mir mühsam genug.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 4. November 2012
Heute war ich als Sozius auf einem Pikipiki am Tod eines halbstarken Kükens beteiligt. Ohne Hand am Lenker und am Gasgriff konnte ich wirklich nichts dafür, aber mich hat der Vorfall mehr erschüttert als den Fahrer. Hühner aller Größen- und Altersklassen sind hier allgegenwärtig, und im Straßenverkehr benehmen sie sich häufig wie die Hühner. Trotzdem hätte dieser Tod durch eine andere Einstellung zum Verkehr vermieden werden können. Aber diese andere Einstellung scheinen in Bagamoyo nur die wenigsten zu haben.
Im Verkehr auf Straßen und auf Wegen gilt das Recht des Stärkeren. Die Stärkeren setzen zwar ihre geballte Kraft nicht immer ein – aber man muss immer damit rechnen, dass sie's tun und räumt besser den Weg.
Ganz unten in der Rangfolge als Verkehrsteilnehmer stehen die Hühner und anderes Geflügel. Von denen sind viele Tausend auf Straßen und Wegen unterwegs. Ein paar Hundert Ziegen sind es sicherlich, die sich in Randbereichen, aber durchaus auch auf belebten Straßen frei bewegen. Dann kommen die menschlichen Fußgänger, um die Fünfunddreißigtausend in Bagamoyo. Als Fußgänger hat man jeder Art von Vehikel auszuweichen. Die Fahrradfahrer sind nur marginal besser dran, Zahl einige Hundert. Mit ihren Einfachst-Drahteseln ohne Gangschaltung sind sie auch wenig schneller als Fußgänger . Obwohl besonders die Pikipiki-Fahrer ständig am Hupen sind, um sich auch gegen Gleichrangige zu behaupten, schaut man besser nach hinten, wenn es auf dem Weg hinten tutet. Pikipikis befördern nämlich nicht nur Fahrgäste, sonder auch Lasten – und da kann schon einmal einer kommen, der querliegende Balken hinter sich befestigt hat. Erlebt habe ich noch keinen Schaden, aber manch einer von den mindestens 1000 Motorradfahrern ließe es bestimmt drauf ankommen. Ich habe schon manch einen über belebte Wege rasen sehen, wo ein unbedachter Fußgängerschritt zu einer Katastrophe geführt hätte. Angeblich kommt immer wieder einer von den überwiegend jungen Männern durch Stürze um. Erlebt habe ich gottseidank bislang nur den Küken-Unfall. Über den Pikipikis stehen die Bajajis = Rischkas auf Motorradbasis, einige Dutzend in Bagamoyo. Die Bajajis kommen aus Indien, die Motorräder meist aus China.
Bajaji mit Editha, der Schulleiterin
Darüber stehen die Autos, einige Hundert in Bagamoyo, und die müssen sich vor den 20- bis 30-sitzigen Bussen hüten. Diese fahren jedoch meist direkt zum Busbahnhof und dann zurück zum Überlandverkehr. Busse wie auch Pkw schließlich räumen im Zweifelsfall besser den Lkws den Weg.
Ich als Fußgänger habe mich nur sehr widerwillig halbwegs an dieses System gewöhnt. Aber, bei allem Durcheinander und dem ständigen Gehupe in der ganzen Stadt, es funktioniert. Es gibt keine nennenswerten Staus. Und das schaffen die Leute hier ohne Verkehrszeichen. Davon gibt es wirklich kein einziges in ganz Bagamoyo!

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 2. November 2012
31.10.12
Gestern nach Schulschluss haben wir unsere Reihe von Familienbesuchen fortgesetzt, und ich konnte die häuslichen Umstände von zwei weiteren SchülerInnen kennen lernen. Editha, die Schulleiterin unserer kleinen Vorschule, spricht zu wenig Englisch, und mein Kiswahili ist noch weit ungenügender, als dass wir uns vertieft über Kriterien und Motive dieser Besuche austauschen könnten. Editha stellt Fragen anhand eines Fragebogens, den in für unsere Besuche geschrieben habe. Die Einträge im Bogen macht teils sie, teils ich. Da die Leute gar kein Englisch sprechen, bleibt mir ansonsten nur die Rolle des Händeschüttlers und Fotografen. Dass ich die Familien zum Ende der Besuche fotografieren darf, ist in dieser überwiegend muslimischen Gesellschaft keineswegs selbstverständlich.
Es zeigt nach meiner Überzeugung die Verbundenheit der Eltern, Großeltern... mit BACCA und die Dankbarkeit, dass ihren Kindern dort Bildung, etwas zu essen und viele Stunden des Glücks geboten werden. Glück ist, Teil einer Gemeinschaft zu sein und im Sprechchor aus vollem Hals das Einmaleins hochzuzählen oder auch draußen auf dem Schulhof auf ein Zeichen hin im Pulk quer über den Platz zu rennen. Dass sich die Kinder wohl fühlen in ihrer Vorschule, ist unverkennbar. Hier haben sie viele Kameraden, hier bekommen sie Anerkennung – und bei aller Dürftigkeit der Ausstattung= so etwas wie ausgestanzte Plastikschmetterlinge und andere Formen, die man zwischendurch ausgeteilt bekommt und dann vor sich auf dem Boden ausbreiten darf, haben die meisten zu Hause nicht. Viele sind geradezu selig bei solcher Beschäftigung.


Unser erster Besuch gestern galt dem 6-jährigen Saidi Hoseni und seiner Familie. Den Nachnamen übernehmen die Kinder übrigens im Regelfall vom Vater, die Ehefrauen führen ihren eigenen Familiennamen weiter. Saidis Vater Kibwana ist 25 Jahre alt, die Mutter Hamisi Mwaiuma 21. Sie sind trotzdem schon sehr lange zusammen: Saidis älterer Bruder ist bereits acht. Die kleine Schwester ist noch ein Säugling. Neben dem dürftigen Häuschen in der Stadt besitzen Saidis Eltern eine Stunde entfernt draußen ein Stück Feld, auf dem sie zur Eigenversorgung Früchte anbauen, vorwiegend Cassava, Tomaten und Zwiebeln. Außerdem arbeitet der Vater des öfteren ein paar Stunden als Fischergehilfe auf See und verdient dabei 2000 Schilling. So kommen Dreißig- bis Fünfzigtausend Schilling pro Monat zusammen. Strom haben sie nicht im Haus, Wasser wird eimerweise von einem Brunnen in der Nachbarschaft geholt, der Eimer für 50 Schilling. Das Geld reicht für das Nötigste, Luxusdinge wie Zucker oder andere Getränke als Wasser gibt es selten.
Kein Wunder also, wenn Saidi den gesüßten Porridge zu dem zählt, was er bei BACCA mag, - neben Spielen und lernen. Zur Frage, was er vermisst, fällt ihm nichts ein. Dafür ist er zu verlegen ob dieses außergewöhnlichen Besuchs daheim.
Von der Existenz BACCAS hat der Vater über Bekannte erfahren und dann seinen Zweitgeborenen gleich angemeldet. Der ältere Sohn war schon über das Vorschulalter hinaus. Die Eltern sind sehr glücklich darüber, dass Saidi bei BACCA kostenlos lernen kann. Der Vater wünscht ihm eine gute Schulkarriere bis hin zum Studium. Nur mit Bildung wird Saidi eines Tages Geld verdienen können und aus der Armut herauskommen, ist der Vater überzeugt.

Saidi mit Familie,
<br />
links Editha

Die nächste von uns angesteuerte Familie war nicht zu Hause, aber Habiba, eine weitere BACCA-Schülerin, wohnt nicht weit davon entfernt. Wir besuchten also sie. Die Siebenjährige wohnt mit ihrer 25 Jahre alten Mutter und drei Geschwistern im Alter von 9, 2 und einem halben Jahr mit zwei ebenfalls ledigen Tanten und deren sieben Kindern unter einem Dach zusammen. Wenn es nicht regnet, hält man sich aber nur zum Schlafen unter dem halbwegs dichten Dach auf. Es geht ja auch allzu eng zu. Strom- und Wasserversorgung gibt es keine.
Als Editha und ich gegen 15 Uhr eintreffen, ist die Familie – oder jedenfalls die meisten – gerade beim Mittagessen. Die drei Mütter sitzen auf dem Boden um einen Topf mit festem Maisbrei, von dem sie mit der rechten Hand einen Brocken abbrechen und zu einem Ballen formen, diesen in ein Schälchen mit Okra-Gemüseschleim tauchen und essen. Daneben gibt es einen Kreis der Kinder, die auf die gleiche Weise aus einem Alu-Topf essen, und ein paar andere Kinder beschäftigen sich sonstwie.
Habibas Mutter Hamisa verdient sich den Lebensunterhalt für die Familie zusammen mit den Schwestern, indem sie Mandazi (fettgebackene Küchlein) herstellen und und auf den Straßen verkaufen. Das bringt wenig ein, aber immerhin recht es zum Überleben der 14-köpfigen Familiengemeinschaft.
Habiba findet den Porridge gut an ihrer Vorschule, und auch Lernen gefällt ihr. Schön wäre, wenn mehr Schaukeln da wären, damit man öfter drankommt.
Habibas Mutter fand zu BACCA durch ein Empfehlung von Regierungsbeamten, die sie wegen der Bildung ihrer Kinder um Rat gefragt hat. Sie möchte, dass ihre Kinder etwas lernen und so lange wie möglich Schulen besuchen. Selbstverständlich wird sie auch die Kleinen zu BACCA schicken, wenn sie alt genug sind.

Da wuselt es

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 28. Oktober 2012
Tomaten und Peter
27.10.12

In der Not frisst der Teufel Fliegen, und manchmal entpuppen sich die dann als Trüffel. Ich dagegen esse für mein Leben gern Tomatensalat, mit oder ohne Not. Mit dieser Vorliebe bin ich hier am richtigen Platz, denn feste, schmackhafte Tomaten werden einem hier fast nachgeworfen, so viele gibt es überall. Dazu rote Zwiebeln – andere scheint es gar nicht zu geben – und auch Knoblauch ist reichlich da. Von wegen aber Kräuter wie Basilikum, Thymian & Co, das kennt man hier nicht. Fehlanzeige auch bei Weichkäse irgendwelcher Art, um ab und zu eine besondere Note an die Tomaten zu bekommen. Es gibt einfach nichts, um den Tomatensalat ab und zu durch eine Zutat aufzupeppen!
An Mozarella habe ich gestern Abend mit einem Hauch von Wehmut gedacht, während ich Tomaten und Zwiebeln für einen Salat aufschnitt. In Griffweite hatte ich ein paar Bananen liegen,
ein paar von den super riechenden und schmeckenden Exemplaren, die man nur vor Ort kriegt, die nicht für eine Reise um die halbe Welt behandelt sind.
Von der Farbe und Konsistenz her gibt es von der Banane eine viel größere Nähe zum jungen Käse als etwa bei Erdbeeren oder bei Kokosnüssen. Da lag also der Gedanke quasi in der bananenduftgeschwängerten Luft, Bananenscheiben in den Tomatensalat zu mischen. Gedacht, getan, und das Ergebnis war köstlich. So muss sich der Teufel fühlen, wenn er statt Fliegen Trüffel schmeckt. Das werde ich ab und zu genießen!

Der rastlose Peter Grohmann wird heute 75 und bei der Geburtstagsgala im Stuttgarter Theaterhaus als sein eigener Hauptakteur auftreten. Dabei täte ihm etwas Ruhe und Seele-baumeln-lassen doch ganz sicher auch mal gut. An seiner Stelle bin ich heute mal wieder zum Strand hinunter und zwei, drei Kilometer barfuß durch die flachen Wellen gegangen. Zwischendurch habe ich mir ein großes Stück frisch frittierten Fisch gekauft und aus der Hand gegessen. Azurblauer Himmel über dir, feiner Sand unter dir, am Horizont ein paar windgeblähte Segel von Fischerboten, und dann auch noch einen guten Brocken frischen Fisch im Magen: Herr, was willst du mehr? Ein Hochgefühl für alle Sinne war das mal wieder. Ich hätte dem lieben Peter gerne etwas davon abgetreten.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Kein Luxus, kein Stillstand
21.10.12
In Bagamoyo kommt man mit sehr wenig aus. Die weit überwiegende Mehrheit der Einwohner hat schlicht und einfach kein Geld für Güter des gehobenen Bedarfs, und darum gibt es solche auch gar nicht. Ich wundere mich, wie viele Autos trotzdem auf den Straßen sind. Wahrscheinlich fahren die Begüterten zum Einkaufen nach Daressalam, und die Hotels lassen sich beliefern.

Leben ist überall, und vor allem wuselt es von Kindern und von Hühnern. Abgesehen von einem Dutzend Geschäftsstraßen im Zentrum, wenn man die konzentrierten Reihen von Buden so bezeichnen will, ist man zu Fuß unterwegs, und die meisten sind das so gut wie ausschließlich. Asphaltiert sind nur vier, fünf Straßen, alles andere ist geschottert oder sind reine Sandwege. Sand ist überhaupt allgegenwärtig hier, und bis in mindestens drei, vier Kilometer Entfernung vom Ozean ist der Boden mit einer dicken Sandschicht bedeckt. Das hält junge Damen von Welt aber nicht davon ab, sonntags in Stöckelschuhen unterwegs zu sein. Ihre Absätze sehen dem entsprechend aus.

Selbst nach stundenlangem Regen, und solchen habe ich in meinen ersten vier Wochen drei Mal erlebt, bleibt das Wasser nur in einigen besonders verdichteten, ausgefahrenen Wegstellen in Pfützen stehen. Auf dem feuchten Sand ist man sogar besser unterwegs als im trockenen. Er gibt nicht so leicht nach und rieselt in die Sandalen. Anders als in Daressalam, trägt in Bagamoyo Alt und Jung Sandalen. Ich habe nur am Ankunftstag geschlossene Schuhe ertragen, notgedrungen.

Büros und Schulen sind an den Wochenenden geschlossen, aber ansonsten geht der Betrieb weiter wie unter der Woche. Geschäfte haben fast alle von morgens bis lange in die Nacht hinein geöffnet, und gleiches gilt für die Handwerker. Bauern und Fischer arbeiten sowieso jeden Tag. Die weit überwiegende Mehrheit ist muslimisch und kennt keine Tradition christlicher Sonntagsruhe. Ehen zwischen Christen und Moslems sind hier nicht außergewöhnlich. Die Kinder wählen dann mit 18 Jahren ihre Religion selbst.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Bagamoyo, Arbeit und Meer
Seit 23. Sptember 12 lebe ich in Bamoyo, um als Freiwilliger bei dem Kinderhilfeverein Bagamoyo Children Carers Association (BACCA) mitzuschaffen. Schaffen meine ich nicht nur im Wortsinn von Arbeiten, sondern auch von "Neues einführen". Der Blick von außen kann ja ganz hilfreich sein.
Meine erste Woche war dem 31. Bagamoyo Festival of Arts and Culture an der der hiesigen Kunsthoch-schule TASUBA gewidmet, und ich habe tolle Aufführungen mit Musik verschiedener Stlirichtungen, mit Tanz, Trommeln, Akrobatik und anderem erlebt.

Am Westrand des Städtchens bewohne ich ein Zimmer in einem Einfamilienhaus und genieße für hiesige Verhältnisse einen hohen Wohnstandard.
Die BACCA-Vorschule ist nur 250 m entfernt - ein kurzer Schulweg also für mich.
In diesem Blog will ich halbwegs regelmäßig von BACCA, aber auch von meinem eigenen Leben in Tansania berichten.

... link


Kartoffelsalat mit Ingwer - schwäbisch
12.10.12
Ingwer gehört mitnichten in Schwäbischen Kartoffelsalat, aber ich schätze halt beide sehr. Die Auswahl an Lebensmitteln ist eher gering hier, darum ist Kreativität hier in Bagamoyo sehr gefragt.

Also habe ich heute Abend kurzerhand ein Stückchen Ingwer in meinen ersten Kartoffelsalat auf tansanischem Boden gemischt. Ansonsten hat alles nach Vorschrift gepasst: schöne feste Kartoffeln, eine würzige Fleischbrühe, brauchbares Öl und sogar Apfelessig habe ich dafür bekommen. Siehe da: es ist auf Anhieb und trotz Wagnis ein wunderbarer Kartoffelsalat entstanden. Dass er auch von meinen Vermietern über den Schellenkönig gelobt wurde, muss nichts heißen.
Es war der erste Kartoffelsalat ihres Lebens und kann nicht sehr vertraut geschmeckt haben. Essiggesäuerten Salat kennt man hier überhaupt nicht. Wenn Salat, dann gibt es ein kleines Häufchen Rohkost, vielleicht mit einem Spritzer Limettensaft. Blattsalat habe ich bislang nur am 3. Oktober in der Residenz des deutschen Botschafters in Daressalam gesehen und genossen.
Der Kartoffelsalat dort war rheinisch, mit viel Mayonaise angemacht. Den musste ich nicht haben.

Meine Kreativität ist sehr gefragt, wenn es ums Essen geht. Von den gewohnten Lebensmitteln und Kochzutaten gibt es hier nur weniges. Richtiger Kaffee oder Spaghetti etwa sind hier in Bagamoyo überhaupt nicht zu haben. Lebensmittelgeschäfte gibt es zwar in Hülle und Fülle, denn mangels Verdienstmöglichkeiten ist Handel die einzige Alternative für viele. Mit deutschen Supermärkten haben diese Geschäfte aber wenig gemein. Baulich sind es eher Buden, oft aus ein paar dünnen Stämmen und Brettern selbst gezimmert und ebenso wie die gemauerten Buden mit einfachem Wellblech gedeckt. Das Angebot ist so ziemlich überall das gleiche, Reis und Bohnen in diversen Variationen sowie Maismehl findet man in Pyramidenform auf dem Tresen angehäuft oder in offenen Säcken. Kochöl wird in mitgebrachte Flaschen und Kanister abgefüllt. Pfeffer dagegen ist in Zellophanfolie eingeschweißt, in winzigen Portionen ab einem Dutzend Körner. Eingeschweißte Kekse, Damenbinden, Zahnbürsten und Waschpulver sowie Wasser und Cola runden das Sortiment ab.
Frisches Obst und Gemüse werden in anderen Buden verkauft, von denen es ebenso unzählige gibt. Gestern habe ich an einem Stand Äpfel gesehen. Ansonsten wird das Bild zurzeit von Bananen, Tomaten, Paprika, Zwiebeln, Orangen, Papaya und Wassermelonen beherrscht. Jetzt beginnt auch die Zeit für Mangos und Ananas. Abgelaufen ist sie für frische Weintrauen aus Dodoma, die in den letzten Wochen auf einem Radkarren angeboten worden waren.

Lebensmittel kosten nur einen Bruchteil der deutschen Preise, bis auf Zwiebeln. Ausgerechnet Zwiebeln sind verhältnismäßig teuer.

Zu meinem Kartoffelsalat habe ich ein paar kleine Fische gebraten. Fische und andere Meeresfrüchte sind praktisch das Einzige, worin eine große Vielfalt herrscht. Da gibt es alles, was der Indische Ozean hergibt, und das ist allerhand. Man kauft sie am Strand, direkt vom Fischer. Fische gehören in Bagamoyo zu den Grundnahrungsmitteln. Für mich als Fischliebhaber ist das nicht wirklich schlecht.

Sehr schlecht dagegen ist es um die Einnahmen von BACCA bestellt. Nach längerem kam diese Woche mal wieder eine Spende an, die knapp die insgesamt 250 Euro Lohnkosten für die vier Angestellten für den Monat September deckt. Die legen sich mächtig ins Zeug, weil sie ganz offensichtlich ihre Arbeit mit den Kindern mögen. Das gilt besonders für die beiden Lehrerinnen, die absolut Großartiges leisten. Zwei sind es nur noch für die beiden Gruppen mit den 70 “Großen” und den 40 Vier- bis Fünfjährigen. Die anderen beiden Lehrerinnen konnten oder wollten sich die schlechte und unregelmäßige Bezahlung nicht mehr leisten.
Spenden sind höchst willkommen, große wie kleine. Dein / Ihr Geld wird hier wirklich gut verwendet. Spendenkonto Nr. 19865410 bei der der HypoVereinsbank, BLZ 850 200 86.

... link (0 Kommentare)   ... comment