Donnerstag, 20. Dezember 2012
Weihnachten wirft kurze Schatten
Gestern, am Mittwoch, war ich seit langem wieder in Daressalam – ich scheue den Trubel der Dreimillionenstadt. Die Druckertinte war mir schon vor einer Woche ausgegangen, und inzwischen hatte ich auch eingesehen, dass ich in Bagamoyo keine Tafelfarbe finde. Ich will während der Ferien die beiden Gips-Schultafeln spachteln und neu streichen. Inzwischen bin ich dafür wieder ausreichend gut auf den Beinen.
Für mich ist in Daressalam am einfachsten das Einkaufscenter „Mlimani City“ zu erreichen. Die Daladalas (enge Schrottbusse, oft noch mit japanischer / koreanischer / arabischer Aufschrift) aus Bagamoyo fahren in Daressalam bis zur Endstation „Mwenge“, und nach kurzem Umsteigen beim Mwenge-Markt geht es für umgerechnet 10 Cent nur drei Haltestellen weiter. Für die ganzen 75 Kilometer zahlt man den Wert von zwei Euro und ist oft pünktlicher dran als mit der DB.
In der Mlimani Shopping Mall sind neben einem Supermarkt eine ganze Reihe von Läden, Dienstleistern und Lokalen unter einem Dach, und ich bekomme meistens meinen ganzen Bedarf.
Das Shoppingcenter ist eher etwas für die Wohlhabenden. Die Käufer kommen wohl nur zum kleinsten Teil mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern mit dem eigenen Auto. Die Zufahrten zum riesigen Parkplatz sind gut ausgebaut; ein Gehweg existiert genaugenommen gar nicht.
Während ich ansonsten in der Öffentlichkeit nirgends etwas Weihnachtliches entdeckt habe: im Einkaufszentrum herrscht weihnachtliche Atmosphäre – oder was man hier eben dafür hält. An den Decken entlang sind Girlanden aus Plastikreisig gewunden, verziert mit buntem Glitzerzeug, und alle 20 Meter steht ein kitschiger Kunststoff-Weihnachtsbaum in den weiten Fluren der Mall. Ähnliches begegnet einem in vielen der Läden. Weil hier jeder Nebengedanke an ein schönes Familienfest fehlt, wird der rein kommerzielle Zweck all dieses vermeintlichen Schmucks noch deutlicher als daheim.
Meine Beute heute= Druckertinte, ein Bügeleisen, vier Päckchen Kaffee, ein halber Liter Gin für den Sundowner mit Tonic Water, ein Pack Cassavamehl für noch zu testende Speisebeilagen und ein Fünfliterkarton Rotwein aus Dodoma. (Der Rote stellte sich leider daheim dann als Weißer heraus, und der ist nicht gut.) Tafelfarbe bekam ich gar nicht im Einkaufszentrum, aber einen Tipp für ein kleines Farbengeschäft in Mwenge. Gottseidank musste ich also nicht in die Innenstadt fahren. Das Farbengeschäft hatte tatsächlich Tafelfarbe – wenn auch nur im großen 4-Liter-Gebinde. Umso mehr war ich froh, dem Bus für den Heimweg nahe zu sein.
War das schön, nach sechs Stunden Busfahrt + Einkauf wieder auf Bagamoyos sicherem Boden zu stehen und nach fünf Minuten auf dem Sozius eines Pikipiki daheim die Türe aufschließen zu können!

Seit heute kann ich nach zwei Tagen endlich wieder online gehen. Eigentlich sollte es bis Monatsende reichen, aber vielleicht war mein Upload- oder Downloadkontingent erschöpft. Kontrollieren kann ich das nicht. Das Aufladen ist relativ kompliziert, und darum lasse ich es einfach für Fünftausend Schilling im Computershop machen.
Auch beim Arzt war ich heute wieder. Meine Wunde macht seit gut einer Woche kaum noch Fortschritte, und heute waren auch die Schmerzen wieder stärker, der Fuß ist angeschwollen. Ich habe mir vorgenommen, wenn es bis Montag nicht wesentlich besser ist, gehe ich an Heiligabend wieder nach Daressalam ins Aga-Khan-Hospital. Schmerzfreie Weihnachten wären ein Traum, und zudem finde ich eine gute Auswahl an Rotwein dort.
Ein liebes Vorurteil habe ich heute auch wieder eingebüßt. Die Sehschlitz-Lady hier ist gar nicht Kasims Frau, nicht einmal die Zweitfrau. So kann man angehen, wenn man einsam Schlüsse zieht. Ich bin nicht sicher, vielleicht war es auch Kenny gewesen, der mir das eingeflüstert hat. Die Verschleierte ist das Kindermädchen, und die andere, die mir schon ab und zu verschmitzt ins Gesicht gelacht haben, ist die Frau und Mutter der beiden kleinen Mädchen. Sie wäscht jeden Tag und fegt den Hof. Hätte ich ihn doch nur gefragt, statt mich immer nur über das unpassende Paar zu wundern. Von wegen Taliban. Die beiden sind ein gläubiges, aber fröhliches und freundliches Paar.

... comment

 
Bericht
Hallo Rudi.

Die Berichte sind sehr gut geschrieben. Dafür gebührt
dir ein großes Lob und DANK!!
Bei meinem nächsten Besuch in Tanzania2013 würde ich dir gern einen Besuch abstatten wenn es dir Recht ist. Ich wünsche dir erholsame Weihnachten und für 2013 einen guten START.
Herbert

... link  

 
Besuch
Aber gerne, Herbert. Willkommen bei BACCA und in meinem Häuschen. Ich bin vorerst allerdings nur noch bis Ende März hier, und dann wieder ab Herbst.
Gutes Neues Jahr! Rudi

... link  


... comment